Straßenbahn ins Martinsviertel
Ältere Darmstädter erinnern sich noch an die legendäre Linie 5, die bis 1960 auf abenteuerlichem Kurs durch Johannes- und Martinsviertel rumpelte. Doch die 1927 erfolgte Verlängerung der Linie 5 durch das Martinsviertel vom Schloßgartenplatz bis zur Ecke Liebfrauen- und Heinheimer Straße war nur ein Notbehelf, weil die lange geplante und teilweise bereits fertiggestellte Direktverbindung zwischen Innenstadt und Martinskirche dem I. Weltkrieg zum Opfer fiel.
Vor 100 Jahren, im Jahre 1912, wurde die Hessische Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft (HEAG) gegründet. Bis dahin gab es in Darmstadt zwei konkurrierende Straßenbahnunternehmen mit voneinander unabhängigen Schienennetzen. Die seit 1886 im Einsatz befindliche Dampfstraßenbahn wurde von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) betrieben. Seit 1897 betrieb die Stadt Darmstadt daneben eine Elektrische Straßenbahn.
Anlässlich der Gründung der HEAG wurde neben der Elektrifizierung der Strecken der Dampfstraßenbahn auch der Neubau einer Strecke ins dicht besiedelte Martinsviertel vereinbart. Sie sollte vom damaligen Hoftheaterplatz über Hochschulstraße, Pankratiusstraße und Wenckstraße zum Riegerplatz führen.
1913 wurde mit dem Bau der Martinsviertelstrecke begonnen. Im August 1914 wurden die Arbeiten wegen des Kriegsausbruchs abrupt eingestellt. Nach dem Krieg verhinderte ein Einspruch der Hessischen Regierung die Wiederaufnahme der Bauarbeiten, da die Wissenschaftler der Technischen Hochschule Störungen der empfindlichen elektrischen Apparaturen durch den Straßenbahnbetrieb vor den Institutsgebäuden befürchteten.
Auf alten Bildern stößt man immer wieder auf Relikte der abgebrochenen Baumaßnahme. Heute erinnern nur noch alte Schienen, die neben dem Holzpflaster den bröckelnden Straßenbelag der Hochschulstraße durchstoßen haben, und eine Rosette der Oberleitungsaufhängung an der Nordseite der Martinskirche an das Bauprojekt.