Donnerstag, 02 Januar 2014 19:11

Wo bitte liegt das Martinsviertel?

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Von der erfolglosen Suche nach den Grenzen eines Stadtteils

Immer wieder wird im Quartier diskutiert, wo denn das Darmstädter Martinsviertel seine Grenzen hat. Zu dieser Frage gibt es fast so viele verschiedene Meinungen, wie der Stadtteil Einwohner hat. Am kleinsten ist das Martinsviertel der Statistiker. Es ist in zwei statistische Bezirke geteilt und wird durch Rhönring, Spessartring, Dieburger Straße, Mauerstraße, Lauteschlägerstraße, Kantplatz, Schloßgartenstraße und Frankfurter Straße begrenzt. Durch diese Grenzziehung werden allerdings z.B. die Bewohner der nördlichen Straßenseite des Rhönrings, die Bewohner der westlichen Straßenseite der Mauerstraße und die Bewohner der alten Vorstadt, die selbstverständlich alle ebenfalls Martinsviertler sind, aus dem Viertel ausgegrenzt. Der Kerbekranz würde danach im Exil aufgezogen, weil der Hahne-Schorsch-Platz außerhalb des Viertels läge. Damit kommt diese Grenzziehung höchstens für herzlose Hardcore-Bürokraten in Frage.

Um ein vielfaches größer ist das Martinsviertel, das uns Professor Dr. Werner Zimmer aus historischer Sicht in vielen Buch- und Zeitungsartikeln vorgestellt hat. Es reicht von der Frankfurter Straße bis an die Fasanerie und von der Dieburger Straße bis zur Maulbeerallee. Teil des Martinsviertels sind aus diesem Blickwinkel auch das Komponistenviertel, der Karlshof, der Ziegelbusch und der Bürgerpark samt Bürgerparkviertel.

Als Wurzeln des heutigen Martinsviertels gelten die Vorstadt für Hofbedienstete, die ab 1590 an der heutigen Magdalenen- und Alexanderstraße entstand und als eigentlicher Ursprung des Viertels gilt, die Wirtschaftsgebäude und Lusthäuser der landgräflichen Hofhaltung und das Bauern- und Veteranenviertel vor den Toren der Stadt, das im 18. Jahrhundert am Arheilger Weg entstand.

Das dörflich geprägte Bauern- und Veteranenviertel, in dem auch der städtische Watz seinen Platz im Faselstall bekam, wurde Pankratiusvorstadt genannt. Im Volksmund bekam es bald den Namen „Watzeverdel". Dieser Name hat sich erst nach dem letzten Krieg auf das gesamte Viertel übertragen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs das Viertel über das alte Bauernviertel hinaus. 1885 entstand die Martinskirche, deren Name schließlich sowohl auf die Pankratiusvorstadt als auch auf das im Rahmen eines Baubooms mit rücksichtsloser Boden-und Bauspekulation entstandene Rhönringviertel übertragen wurde.

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand das heutige Komponistenviertel mit seinen Villen, ursprünglich als „Gartenstadt" für kleine Leute geplant. Es gehörte bis zur Gründung der Thomasgemeinde zur Martinsgemeinde und damit auch zum Martinsviertel. Über die Frage, ob das Komponistenviertel heute noch Teil des Martinsviertels ist, lässt sich trefflich streiten.

Bald wuchs das Viertel über die ehemalige Bahnlinie hinaus und in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre entstand als bisher letzte Erweiterung auf dem ehemaligen Schlachthofgelände und dem Gelände der Gärtnerei Russler eine neue Bebauung, die den Namen Bürgerparkviertel erhielt. Ihe Wahrzeichen ist die Waldspirale von Friedensreich Hundertwasser.

Wie groß das Martinsviertel ist und wo seine Grenzen liegen, ist schlicht und einfach Ansichtssache. Jeder kann sich sein ganz persönliches Martinsviertel zusammenstellen. Aber auch für die Bewohner des Martinsviertels gilt: Nicht jeder ist ein Watzeverdler!

Armin Schwarm (Redaktion Watzeverdler)

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